08.07.2018 / Quelle: Herborner Tageblatt / Jörg Weirich

Als Genosse kann man günstig wohnen

Eine über 100 Jahre alte Idee funktioniert auch heute noch

Ihren Mitgliedern und Anteilseignern bezahlbaren Wohnraum bieten. Und den Gebäudebestand erhalten und eventuell vergrößern, um das Geschäftsmodell auch künftig gut verfolgen zu können. Darum geht es gemeinnützigen Baugenossenschaften.

Die Flaggschiffe der Herborner Baugenossenschaft GBS: In dem 2013/14 errichteten und mit einer Solarstromanlage ausgerüsteten Gebäudekomplex gegenüber vom Johanneum-Gymnasium befinden sich 57 barrierefreie Wohnungen und zwei Büros. Im Innenhof des dreiteiligen, U-förmigen Gebäudes befinden sich eine Grünanlage, gemütliche Sitzgelegenheiten und ein Freiluft-Schachspiel. Auf dem Schießberg im Hintergrund (links der Mitte) sind die beiden, 1968 und 1973 errichteten und inzwischen umfangreich modernisierten Hochhäuser der GBS zu sehen, die jeweils 36 Wohnungen beherbergen. (Foto: Weirich)

Im Prinzip liegt ihnen die gleiche Idee zugrunde: Menschen tun sich zusammen, leihen der Genossenschaft Geld, indem sie Anteile von ihr kaufen, und ermöglichen es ihr so, günstigen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten. Das ist das verbindende Element gemeinnütziger Baugenossenschaften.

Herborner Unglück führt zu Dillenburger Bauverein

Beim Dillenburger Wohn- und Bauverein eG (WB Dill) war der Anlass für die Gründung eine Notlage, die zwei große Feuer ausgelöst hatten – und zwar im benachbarten Herborn: Am 11. und 18. August 1904 waren dort in der Schafgasse 26 Häuser und 60 Scheunen komplett abgebrannt, viele Familien obdachlos geworden.

Angestoßen von Landrat Waldemar von Wussow, riefen 44 Gründungsmitglieder am 9. September 1904 den Bauverein ins Leben. Der kaufte Bauland im Wohngebiet Alsbach oberhalb der Stadt und legte bereits am 3. November 1904 den Grundstein für ein Vierfamilienhaus. Bis 1905 entstanden 15 Häuser mit 32 Wohnungen in Herborn und Sinn.

Später konzentrierte sich der Bauverein auf Dillenburg. Heute hat er 195 Häuser mit 1017 Wohnungen, 8 Praxen/Büros, 300 Garagen und 38 Tiefgaragen, außer in den genannten drei Orten noch in Haiger, Driedorf-Roth, Breitscheid, Eschenburg-Eibelshausen sowie den Dietzhölztaler Ortsteilen Ewersbach und Mandeln.

Verwaltet 1360 Mitglieder, 114 Häuser mit 927 Wohnungen, 207 Garagen und 8 Gewerbeeinheiten: Herborns GBS-Geschäftsführer Mark-Thomas Kling. (Foto: Weirich)

Mieten zwischen 3,96 und 7,52 Euro pro Quadratmeter

Und noch immer ist das Wohnen bei der Genossenschaft im Vergleich zum rein privaten Wohnungsmarkt günstig: „Unsere Mieten rangieren zwischen 4,10 und 6,30 Euro pro Quadratmeter“, sagt Volker Pletka, seit 19 Jahren Geschäftsführer des Bauvereins. „Unsere Durchschnittsmiete liegt bei 4,86 Euro.“

Ähnlich sieht es bei der Gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft Herborn eG (GBS) aus: Sie wurde 1947 wegen der nach dem Zweiten Weltkrieg durch Zerstörung, Flucht und Vertreibung herrschenden Wohnungsnot aus der Taufe gehoben. Heute gehören ihr 114 überwiegend selbst errichtete Häuser – die bis auf drei alle in Herborn stehen  mit 927 Wohnungen, 207 Garagen und acht Büros. Zwei davon sind die Hochhäuser, die auf dem Schießberg weithin sichtbar über der Stadt thronen.

Dillenburg, Lohrbachstraße 19: Auch der Dillenburger Wohn- und Bauverein lässt seine Häuser nach und nach energetisch sanieren – allerdings nur so weit, dass es wirtschaftlich auch noch tragbar ist, sagt sein Geschäftsführer Volker Pletka. (Foto: Weirich)

Genossenschaften investieren regelmäßig in die Modernisierung ihres Bestandes

Zwar gibt es für Herborn keinen offiziellen Mietspiegel. Dennoch könne man davon ausgehen, dass die Durchschnittsmiete wegen der zunehmenden Beliebtheit der Stadt inzwischen um 7,50 Euro herum liege, sagt GBS-Geschäftsführer Mark-Thomas Kling. Bei der GBS reicht die Bandbreite der Mieten von 3,96 bis 7,52 Euro. Der Spitzensatz gelte aber nur für ein ganz bestimmtes Anwesen, sagt Kling.

Gemeint ist damit der jüngste Neubau der Genossenschaft, zugleich sozusagen ihr Flaggschiff: Der dreiteilige Gebäudekomplex gegenüber vom Herborner Johanneum-Gymnasium ist 2013/2014 entstanden und beherbergt 57 barrierefreie Wohnungen modernen Zuschnitts sowie zwei Büros. Im Innenhof der U-förmig angeordneten Gebäudeteile befindet sich eine Grünanlage mit Sitzgelegenheiten und Freiluft-Schachspiel.

Energetische Sanierung ist und bleibt wichtig

Auf dem Dach produziert eine Photovoltaikanlage Strom aus Sonnenenergie. Im Keller schnurrt ein Blockheizkraftwerk, das Wärme und Strom produziert.

Die GBS setzt aber auch bei einigen ihrer älteren Immobilien auf Solarenergie: Sie betreibt 19 Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 288,6 kWp.

„In den kommenden Jahren werden im Hinblick auf die Modernisierung der Altbestände vor allem energetische Verbesserungen eine immer wichtigere Rolle spielen“, sagt Kling,

Ähnlich sieht das Volker Pletka. Allerdings verfolgt der Geschäftsführer des Dillenburger Wohn- und Bauvereins einen, wie er sagt, wirtschaftlicheren Weg, als auch alle älteren Häuser mit dem Maximalen an Wärmedämmung zu versehen: „Schließlich muss es sich am Ende auch noch rechnen“, so Pletka. Er hat in dem Herborner Architekten Karim El Ansari einen Mitstreiter gefunden, der mittels Messungen nachweisen konnte, dass auch eine sechs statt 20 Zentimeter dicke Dämmung ausreicht, um den Anforderungen der Energieeinsparverordnung zu genügen.

Der Chef und seine Nachfolgerin: Volker Pletka ist noch bis Ende Februar 2019 Geschäftsführer des Wohn- und Bauvereins Dill eG in Dillenburg. Antje Iske steht ihm bereits seit vier Jahren als Prokuristin und Leiterin des Rechnungswesens zur Seite. (Foto: Weirich)

Wer bei ihnen wohnen will, muss Mitglied werden und Anteile kaufen

Gemein haben die Herborner und die Dillenburger Baugenossenschaften, dass bei Modernisierungen und Sanierungen ihrer Gebäude Fenster und Türen nach dem aktuellen Stand der Isoliertechnik eingebaut werden.

Wer bei ihnen wohnen möchte, muss Mitglied werden und eine Mindestanzahl an Anteilen der Genossenschaft kaufen: Beim Dillenburger Bauverein sind es zwei zu jeweils 400 Euro, bei der GBS in Herborn ebenfalls zwei, allerdings zu jeweils 310 Euro plus weitere drei bis fünf, je nach Größe der zu beziehenden Wohnung.

Zahlen & Fakten: Heimische Baugenossenschaften

Außer den gemeinnützigen Baugenossenschaften in Herborn und Dillenburg gibt es im Verbreitungsgebiet der Zeitungsgruppe Lahn-Dill noch zwei weitere: Die Gemeinnützige Baugenossenschaft für den Kreis Biedenkopf verfügte Ende 2017 über 493 Wohnungen, 95 Garagen, drei Altentagesstätten und ihre Geschäftsstelle. Sie hat 688 Mitglieder. Die Bilanzsumme betrug 2017 rund 13,5 Millionen Euro. Aus dem Jahresüberschuss (rund 165 000 Euro) werden 21 500 Euro als Dividende an die Eigner der 1082 Anteile ausgeschüttet. Die Baugenossenschaft Spar- und Bauverein Wetzlar-Weilburg hat über 2100 Mitglieder und verfügt in den Landkreisen Lahn-Dill und Limburg-Weilburg über 1285 Wohnungen. Der letzte Neubau von Mietwohnungen erfolgte im Jahr 2000. Derzeit konzentriert sich die Genossenschaft auf die energetische Sanierung ihrer Häuser.