04.07.2019 / Quelle: Mittelhessen.de / Tobi Manges, Christian Hoge

Zoff um neue Wohnungen in Herborn

Die Genossenschaft für Bau- und Siedlungswesen möchte im Herborner Hinterthal 60 neue Wohnungen schaffen. Dafür ist eine Änderung im Bebauungsplan nötig. Doch die ist zum Ärger von GBS-Geschäftsführer Mark-Thomas Kling von der Tagesordnung des Herborner Parlamentes geflogen.

Einer der Planungsvorschläge: Die Herborner Bau- und Siedlungsgenossenschaft möchte auf dem früheren Berkenhoff-Gelände im Hinterthal drei vierstöckige Gebäude mit je 20 Wohnungen errichten. Um sie so verwirklichen zu können, wären Änderungen im Bebauungsplan für das Gebiet nötig. (Computeranimation: Architekturbüro planquadrat)

HERBORN – Es knirscht zwischen der Genossenschaft für Bau- und Siedlungswesen (GBS) und der Herborner Politik. Der Grund: Die Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer jüngsten Sitzung nicht über eine Änderung des Bebauungsplanes im Hinterthal beraten. Das ist aber nötig, denn die GBS möchte dort 60 neue Wohnungen schaffen.

Rückblick: Am 13. Juni stand die Änderung des Bebauungsplans auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Doch zu Beginn der Sitzung erklärte Stadtverordnetenvorsteher Jörg Michael Müller (CDU), er schlage vor, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen. Er habe mitbekommen, dass Anwohner wegen des Projektes einen Anwalt eingeschaltet hätten. Das sei aber weder dem Ortsbeirat noch dem Bauausschuss – die sich vorher mit dem Bebauungsplan beschäftigt hatten – bekannt gewesen. Daher habe er rechtliche Bedenken.

Weil Klaus Enenkel (FWG) das Wort ergriff und forderte, den Punkt nicht von der Tagesordnung zu nehmen, ließ Müller die Abgeordneten abstimmen – die Mehrheit entschied sich dafür, nicht über die Änderungen im Bebauungsplan zu beraten. Ein Mann verließ daraufhin wutentbrannt den Comeniussaal des Herborner Rathauses: Mark-Thomas Kling, der Geschäftsführer der GBS. Er hatte sich unter die Besucher gemischt. Sechs Tage später ergriff er auf der Mitgliederversammlung der Genossenschaft das Wort.

Er sei “maßlos enttäuscht”, sagte er. Und: “Ich vertrete die Auffassung, dass zu diesem Zeitpunkt kein Grund vorlag, den Tagesordnungspunkt zu streichen.” Nach seiner Information habe es keine Einwände von Seiten des Ortsbeirates gegeben, eine anwaltliche Anfrage von einem Anwohner aus dem Hinterthal bei der Stadt habe lediglich mit dem aktuellen Sachstand des Projektes zu tun gehabt. “Jetzt rückt unser Ziel, 60 Wohnungen zu bezahlbaren Mieten in Innenstadtlage zu bauen, in weite Ferne”, kritisierte der GBS-Geschäftsführer.

Zudem erwartet Kling durch die Verzögerung steigende Baukosten. Die GBS bezahlt auch den Stadtplaner, der sich um die Änderungen im Bebauungsplan kümmert. Der Kauf der Flächen und die bisherige Planung hätten “einen hohen sechsstelligen Betrag” gekostet, so Kling.

Der Plan

Die Genossenschaft für Bau- und Siedlungswesen Herborn (GBS) möchte im Hinterthal auf dem ehemaligen Gelände der Berkenhoff GmbH drei Gebäude mit je 20 Wohnungen errichten. Damit das möglich ist, muss der gültige Bebauungsplan abgeändert werden. Aus dem Gewerbegebiet wird ein Mischgebiet. Die weitreichendste Änderung: Die Stadt soll für den Bau vier statt wie bisher festgeschrieben drei Vollgeschosse zulassen.

Damit die Gebäude aber nicht höher als zwölf Meter werden, möchte die GBS sie mit Flachdächern ausstatten. Auch das sieht der Bebauungsplan bisher so nicht vor.

Herborns Stadtverordnetenvorsteher Müller verteidigt sein Vorgehen gegenüber dieser Zeitung. “Offenbar wurden in dieser Sache noch nicht alle Personen angehört”, erklärt er. “Und wenn das dem Ortsbeirat und dem Bauausschuss nicht bekannt ist, dann habe ich ein Problem damit, einen solchen Antrag zur Abstimmung zu stellen. Wo kommen wir denn hin, wenn Bürger Sorgen haben oder sich beschweren, und wir kümmern uns nicht darum?”

Außerdem habe er mit seinem Vorschlag, den Punkt von der Tagesordnung zu streichen, Rechtssicherheit schaffen wollen. “Am Ende haben die Abgeordneten die Entscheidung getroffen.”
Herborns Ortsvorsteher Horst Besserer (CDU) gibt im Gespräch mit dieser Zeitung an, erst nach der jüngsten Sitzung des Ortsbeirates von Protesten der Anwohner gegen des Projekt im Hinterthal gehört zu haben. Da hatte sich das Gremium – 24 Stunden bevor das Parlament tagte – einstimmig für den Antrag ausgesprochen.

“Grundsätzlich ist es wichtig, dass in Herborn neue Wohnungen entstehen”, sagt Besserer und begrüßt das Bauvorhaben der GBS deshalb. Schon eine Woche vorher hatte sich der Ausschuss für Bauen und Verkehr mit den Plänen im Hinterthal beschäftigt und das Projekt insgesamt befürwortet. Mit einer Nein-Stimme und einer Enthaltung empfahlen die Ausschussmitglieder dem Parlament den Antrag.

Jörg Michael Müller will die Änderungen des Bebauungsplanes im Hinterthal im August wieder auf die Tagesordnung setzen. Vorher werden Ortsbeirat und Bauausschuss noch einmal darüber beraten. Das wird voraussichtlich in der zweiten August-Woche geschehen, ehe das Parlament in der Folgewoche darüber diskutiert.

Für GBS-Geschäftsführer Kling ist das trotzdem “nicht okay”. Er sagt: “Der Bauausschuss hat alles abgesegnet, warum muss der Plan da jetzt noch einmal rein?” Sollte es Bürgerbeschwerden geben, könnten die bei einer Offenlegung des geänderten Planes vorgebracht werden, so Kling. Der GBS-Geschäftsführer hofft nun darauf, dass es der Änderungsantrag im August auch wirklich ins Parlament schafft. “Jede weitere Verzögerung kostet Geld.”